Ich schaue seit Ewigkeiten mit Bewunderung auf Leute die sich ein unabhängiges Einkommen aufbauen. Sei es durch Immobilien, Aktien, Teilhaberschaften, Selbstständigkeiten oder gar eigenen Firmen mit Angestellten.
Wie war der Weg solcher Menschen? Was hat sie dazu bewogen, diesen Weg zu gehen. Welche Schwierigkeiten hatten sie und welche Tipps haben sie für Menschen die einen ähnlichen Weg gehen oder Ziel erreichen wollen?
Hierzu hatte ich zuletzt das Interview mit Boersenstilzchen. Er langjähriger Privatinvestor der es mit den bekannten einfachen Regeln des haushalten von Finanzen seine Zeit seit einigen Jahren selbst einteilen kann. Das Interview.
Umso mehr freut es mich, dass ich heute wieder jemanden aus unserer Mitte als Gast gewinnen konnte die uns mit ihrem Weg und Erfahrung mit diesem Interview sicherlich motivieren und wichtige Tipps geben wird. Ich bin ihr dankbar, dass sie trotz der Ukrainekrise die sie aufgrund persönlicher Bekanntschaften mit Menschen aus der Ukraine sehr beschäftigt, sich Zeit für meine Fragen genommen hat.
Vielleicht kann man sich von ihr was abschauen. Ich bin mir sicher, dass das der Fall sein wird.
Sie ist zwischen 45-50 Jahren alt und möchte anonym bleiben.
Inhaltsverzeichnis
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Wer bist du? Wie alt bist du? Wo und wie lebst du?
Ich bleibe hier lieber anonym. Ich lebe in NRW in einer bezahlten Eigentumswohnung.
Wie war dein Werdegang und was hast du beruflich gemacht?
Nach dem Abitur habe ich eine Ausbildung in einem DAX Konzern gemacht. Anschließend habe ich BWL studiert (berufsbegleitend – so konnte ich weiter mein eigenes Geld verdienen). Der Preis dafür war allerdings (neben dem ganzen Stress), dass das Studium länger dauert als ein Vollzeitstudium. Es war trotzdem sehr gut investierte Zeit, denn das hat sich beruflich stark ausgezahlt. Ich arbeite als heute in der Strategieabteilung.
Wann hast du angefangen zu sparen?
Wir hatten zu Hause nie viel Geld. Deswegen wollte ich nach der Schule schnell selbst Geld verdienen, damit meine Eltern mich nicht mehr finanziell unterstützen müssen. Von meinem Ausbildungsgehalt blieb nichts zum Sparen übrig, aber ich konnte meine Miete (Wohnheim) und meine Lebensmittel bezahlen.
Nach der Ausbildung wurde ich übernommen und mein erstes Gehalt habe ich komplett ausgegeben, ab dem zweiten Gehalt habe ich gespart. Anfangs eher, was am Monatsende übrig war, später dann am Monatsanfang und zwar 10% vom Gehalt. Ich hatte gelesen, dass man mit 90% auch gut auskommen kann wie mit 100% und das hab ich einfach mal ausprobiert.
Könntest Du heute schon (zum Teil) von Deinen Dividenden leben und falls ja, warum machst Du das nicht?
Meine Fixkosten sind bereits durch die Dividenden gedeckt, die variablen Kosten bisher nicht. Noch lebe ich also nicht davon, ich habe aber bereits meine Arbeitszeit verkürzt.
Ich arbeite noch, weil mein Job sehr interessant und das Team klasse ist. Wann genau ich aufhöre, hab ich noch nicht entschieden, aber ich werde vermutlich nicht warten, bis die Dividenden alle Kosten decken (ich plane mit Kapitalverzehr).
Wie bist du auf die Börse aufmerksam geworden?
Durch Mitarbeiter-Aktien, die ich bereits während der Ausbildung erwerben konnte. Meine ersten beiden Aktien habe ich mir quasi vom Mund abgespart, weil ich das unbedingt ausprobieren wollte.
Kannst du grob sagen, wieviel % du von deinem Gehalt/Einkommen investiert hast? Hast du da Gewohnheiten wie z.B. Automatische Überweisungen, Unterkonten für spezielle Ziele etc.
Aus meinem bisherigen Netto-Lebenseinkommen habe ich ca. 20% ins Depot investiert und ca. 43% in mein Gesamtvermögen. Meine Sparquote pro Monat habe ich über die Jahre regelmäßig steigern können, seit 2019 liegt die Sparquote immer über 50% meines Monatsnettos. Die Steigerungen kommen sowohl aus Gehaltserhöhungen und aus Kostenkontrolle.
Ich spare für verschiedene Zwecke: Rücklagen und Altersvorsorge. Ich habe kurzfristige Rücklagen, langfristige Rücklagen und Notgroschen. Den Notgroschen habe ich dabei sehr großzügig bemessen, weil ich das gleiche Konto auch für Urlaubskosten nutze (der Notgroschen stellt quasi den Mindestbetrag auf dem Konto dar).
Für die Altersvorsorge habe ich die staatliche Rente, eine betriebliche und eine private Rente sowie das Depot.
Ich habe das alles automatisiert, soweit das geht. Nur der monatliche Aktienkauf ist manuell, weil ich das immer spontan entscheide.
Sie hat einen Teil ihres Geldes in Aktien investiert und den Rest auf andere Vermögenswerte aufgeteilt
Wie hast du investiert? Aktien, Immobilien, Teilhaberschaft. Hattest du hier auch schon Geld z.B. durch Erbe?
Ich habe eine selbstgenutzte Eigentumswohnung, die bezahlt ist. Ansonsten habe ich noch Aktien und eben Tagesgeld für die verschiedenen Rücklagen.
Angefangen habe ich mit den Mitarbeiter-Aktien in den 1990er Jahren. Später kamen dann aktive Fonds hinzu und Sparkonten (damals gab es noch Zinsen). Später bin ich zu ETFs gewechselt und mittlerweile bin ich bei einem reinen Einzelaktien-Depot angekommen. Das passt bisher für mich bisher am besten. Seit fast 10 Jahren lege ich entsprechend der DGI Strategie an.
Zu DGI bin ich gewechselt, weil ich einerseits die psychologische Komponente der Dividenden sehr schätze und andererseits, weil ich hierüber die Entnahme steuern kann, ohne dass ich viel machen muss. Wenn man z. B. gesundheitlich nicht mehr in der Lage wäre, Verkaufsentscheidungen für eine Entnahme zu treffen, werden die Dividenden trotzdem noch eingebucht.
Welche Strategie hast du verfolgt? Worauf hast du geachtet?
Der Ausgangspunkt für mein Depot ist einmal die Maslowsche Bedürfnis-Pyramide
Wichtig ist es, eine Strategie zu haben, die einem das Durchhalten erlaubt, wenn es mal ungemütlich wird. Ich meine das nicht nur in Bezug auf die Börse, sondern auch auf das Leben allgemein. Das Leben läuft nicht immer wie geplant – und wenn es zu einer Lebenskrise kommt, ist es gut, wenn man a) finanzielle Sicherheit hat, um diese Krise zu überstehen (genau dafür ist der Notgroschen) und b) sein Vermögen so strukturiert hat, dass man sich mal eine Zeit lang nicht drum kümmern muss. Letzteres handhabe ich so, dass dann die monatliche Investition mal ausfällt. Das ist bisher bei mir einmal vorgekommen, da habe ich 3 Monate lang nicht investiert. Da die Sparrate ja trotzdem auf dem Verrechnungskonto ankommt (und die Dividenden ja auch), können die ausgefallenen Investments nachgeholt werden.
Der Ausgangspunkt für mein Depot ist einmal die Maslowsche Bedürfnis-Pyramide und einmal meine (sehr subjektiven) Beobachtungen im Supermarkt, was in den Einkaufswägen landet. Insgesamt habe ich 13 Industrien für mich definiert, in 11 bin ich derzeit investiert. Die Industrien habe ich gewichtet.
Jede Firma darf nur 2% des Investitionswertes ausmachen, Gewinne lasse ich laufen. Das Depot ist noch nicht fertig und daher weiche ich noch an einigen Stellen davon ab.
Wie sehen deine Investments prozentual aus?
Rein die Investments: Depot 99%, Cash 1%. Das würde ich gerade für Anfänger auf keinen Fall empfehlen!
Das geht natürlich nur, weil mein Vermögen entsprechend strukturiert ist:
- Selbstgenutzte ETW ~35%
- Rücklagen ~15% (ohne ETW ~25%)
- Depot (inkl. Cash) ~50% (ohne ETW ~75%)
Was ist für Dich beim Kauf einer Aktie am wichtigsten bzw. was sind Deine wichtigsten Kriterien?
Eine Firma kommt für mich nur infrage, wenn sie zu einer der vordefinierten Industrien gehört. Ich möchte – mindestens grob – verstehen, wie die Firma ihr Geld verdient und wo da potentielle Fallstricke sind. Geografisch (bezüglich Hauptsitz) beschränke ich mich auf Europa (diverse Länder) und Nordamerika. Die Firmen selbst arbeiten ja überwiegend überregional. Außerdem beschränke ich mich auf Dividendenzahler.
Wenn die oberen Punkte gegeben sind, schaue ich mir ein paar Daten an: Umsatz- und Gewinnentwicklung in den letzten Jahren, Free Cash Flow, Dividendensumme und Dividende pro Aktie. Überzeugt mich ein Unternehmen, dann nehme ich es in meine Exceltabellen auf – und dann betrachte ich auch noch ein paar weitere Daten aus den Quartalsberichten. Das ist dann auch der Zeitpunkt, zu dem ich einen Erstkauf mache.
Nachkäufe kommen infrage, wenn ich verbilligen kann oder wenn ich die Industriegewichtung ausbalancieren möchte.
Realisierst Du auch mal Verluste?
Ja, ich habe auch schon mit Verlust verkauft. In den meisten Fällen war das – langfristig und im Nachhinein betrachtet – ein Fehler. Diese Erkenntnis hat mich dann zu Buy & Hold geführt. Check gehört auch dazu, aber mittlerweile tue ich mich sehr schwer, etwas zu verkaufen, eben weil meine persönliche Erfahrung sagt, dass Halten langfristig besser ist.
Verkäufe wegen Gewinnmitnahme mache ich seit dem Wechsel zu DGI nicht mehr.
Deine Top drei Performer und Flops sind welche?
Ich weiss nicht, ob man das sagen kann, da sich das ja regelmäßig ändert. Ich war schon mit Firmen 50% im Minus, die heute bei fast 100% Plus stehen.
Welche Tipps hast du für Anfänger?
- Einfach mal anfangen mit ETFs und lernen. Einzelaktien kann man machen, wenn man etwas mehr Erfahrungen gesammelt hat und das vorhandene Investitionskapital eine gute Diversifikation erlaubt.
- Anfangs spricht nichts gegen den ein oder anderen Strategiewechsel, da muss man sich schrittweise annähern, was das beste für einen selbst ist. Wenn es dann passt, würde ich die Strategie nur noch als große Ausnahme ändern, vor allem, weil man sich dann den Zinseszins-Effekt kaputt machen kann, und weil es auch mit zusätzlichen Kosten (Handelsgebühren, Steuern für aufgelaufene Gewinne) verbunden ist.
- Der größere Hebel beim Vermögensaufbau war bei mir die Steigerung des Einkommens, Kostenkontrolle ist gut, hat aber Grenzen (man will ja auch leben 😊).
- Allgemein das wichtigste ist Absicherung: Absicherung der Arbeitskraft (über eine Versicherung) und des Vermögens (über die Asset Allokation). Wenn man das außer Acht lässt, hält man die gewählte Strategie möglicherweise nicht durch.
- Und: Das aktuelle Leben nicht vergessen, sich auch mal was gönnen!
Ich fand das Interview mit ihr sehr aufschlussreich. Sie hat nicht versucht schnell reich zu werden, sondern hat regelmäßig investiert, eine Absicherung sichergestellt und sich auf ein weiteres Einkommen konzentriert. Dabei ist ihr die Asset Allokation wichtig. Nicht alle Eier in einen Korb. Sie hat ihr Einkommen aus dem Job erhöht. Es sind die absoluten Grundlagen. Kein Hexenwerk. Es hat ihr jetzt schon eine Verkürzung der Arbeitszeit ermöglicht. Sie hatte mir in einem Vorabgespräch erzählt, dass sie nicht aus einem „reichen“ Elternhaus kommt, sondern sich alles selbst erarbeitet hat.
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